(16) Mein Großvater erzählt

Es war am 27. März, montagabends, 1945. Wir waren bereits alle zu Bett, als ich Schritte hörte vor unserem Schlafzimmerfenster. Da sagte ich zur Oma: "Die Engländer sind da!" Doch vom Fenster hörten wir die Stimme: "Nein, wir sind Deutsche!"

Ich sprang auf und ging raus, da sah ich ungefähr 20 Mann mit Gepäck, es waren deutsche Soldaten. Wir, die Soldaten und ich, räumten die Scheune aus. Die Soldaten zogen dort ein. Ich sagte dann zu einem Unteroffizier: "Lasst bitte das Rauchen sein, ich möchte nicht zu guter Letzt die Scheune in Brand haben." Da meinte der Soldat zu seinen Kameraden: "Hey, Jungs, hört mal zu, der Bauer war so gut und gab uns die Scheune, darum verbiete ich das Rauchen!"

Am nächsten Morgen, dem 28. März, kamen die ersten Tiefflieger. Da bauten die Soldaten ihre Feldküche auf und schnappten sich ein paar herumlaufende Hühner für die Suppe. Im Vorrat fanden sie auch noch Kartoffeln. Am Nachmittag gaben uns die zwei Offiziere den Rat, weiße Betttücher aufzuhängen.

Ich musste eigentlich um 6 Uhr in Heiden an der Panzersperre sein. Ich war nämlich im Volkssturm. Doch ich ging nicht. Nun sahen wir in Heiden den Kirchturm brennen, von Fliegern angeschossen. Wir gingen in den Bunker. Auf unserer Straße standen 40 Panzer und schossen auf uns und andere Bauernhöfe in der Nähe.

Unser Großvater holte drei neue Betttücher für die Fahne, und jedes Mal wurden sie zerschossen. Plötzlich ging unsere Scheune in Brand auf. Ich rettete zwei Schweine und unsere Pferde.

Am Bunker brannte der Notausgang, und die Kinder weinten. Doch Gott sei Dank ging das Feuer aus. - Wir wären fast bei lebendigem Leib verbrannt.

Am 29. März war es wieder vorbei, die Pferde waren auf dem Hof geblieben, aber nur ein Schwein bekamen wir wieder. Das andere Schwein schlachteten die Engländer.

Am Ostersonntag, 1. April, kam der Nachschub der Engländer und stellte Unmengen von Fahrzeugen in den Wiesen auf. Sie wurden sofort getarnt, und nach 2-3 Stunden waren sie plötzlich alle wieder fort.

Die Kommandantur der Besatzer war im Dorf, und wenn man Rat brauchte, musste man dort hingehen. Alle Soldaten mussten sich melden und wanderten in Gefangenschaft. Waffen jeglicher Art mussten abgeliefert werden. Ich versteckte noch ein schönes Jagdgewehr und hoffte, man würde es nicht finden, denn dann wäre mir eine schwere Strafe sicher gewesen. Mein Vater holte es jedoch, zerbrach es und warf es in einen Bombentrichter.
(Alfred Bleker)